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Weiterdenken

Lernförderliche Rückmeldung setzt kompetenzorientierte Aufgaben voraus. 

Aufgaben sind der Ausgangspunkt für die Unterrichtsarbeit. Die Auswahl, die Gestaltung und die Durchführung von Aufgabenbeispielen sind entscheidend für das Lernen an und für sich und auch für die Lernergebnisse. Earl (2012) bezeichnet sie als das Herzstück von/für Lernen.
Unterricht braucht Aufgaben, die einen klaren Bezug zu den Lernzielen haben, das Zielbild sichtbar (und damit beurteilbar) machen und echtes Handeln erfordern. Sie orientieren sich am Lehrplan und an vorhandenen Kompetenzmodellen. Solche Aufgaben ermöglichen Schüler*innen ihre Kompetenzen sichtbar zu machen und im Lernprozess durch lernförderliche Rückmeldung weiter zu entwickeln. 
Beim Erstellen oder Analysieren von kompetenzorientierten Aufgaben hilft die Orientierung an folgenden typischen Merkmalen:

  • Sie sind anspruchsvoll, „situiert“ und glaubwürdig, d.h. sie gehen von einer Situation, einem realen Kontext aus, in der sich die Schüler*innen in ihrem Leben irgendwann einmal wiederfinden könnten.
  • Sie schaffen durch unterschiedliche Ausdrucksformen entsprechend der Bereitschaft/ Interessen/Lernprofile der Schüler*innen Zugang für alle.
  • Sie sind klar, d.h. sie enthalten transparente Erwartungen, verständliche Anweisungen und definieren die Rolle, in der die Schüler*innen beim Lösen der Aufgabe agieren.
  • Sie sind herausfordernd und verlangen eine Handlung, die relevant für die Kompetenz ist, die durch das Lösen der Aufgabe demonstriert wird.
  • Sie sind beurteilbar, d.h. es gibt Raster mit klaren, gleichwertigen und verlässlichen Kriterien, anhand derer die Lehrperson den Schüler*innen Rückmeldung geben kann. 
  • Einfache Aufgaben führen zu einfachen Leistungen, d.h. Lehrer*innen müssen zunächst sicherstellen, dass Aufgaben entsprechend komplexe Anforderungen stellen, um überhaupt die Komplexität der Leistung zu bestimmen. 

Unterricht, der das Lernen in den Mittelpunkt stellt, muss ausreichend Gelegenheiten für Lernen schaffen. Dies gelingt nur durch qualitätsvolle und herausfordernde Aufgaben - und zwar für alle Schüler*innen. Lernförderliche Aufgaben müssen Ausgangspunkt und Zentrum des Lehr- und Lernprozesses sein und sind somit Ziel des Unterrichts. Aufgaben können für kontinuierliche Lernstandserhebungen genutzt werden, damit förderliche Rückmeldung gegeben und je nach Bedarf auch Differenzierungsmaßnahmen strategisch gesetzt werden können. Gleichzeitig dienen Aufgaben auch der summativen Leistungsfeststellung und werden als Beleg für die aktuelle Kompetenz aufgezeichnet.
Mehr Informationen dazu, Materialien, Werkzeuge und Beispiele zum Erstellen und Analysieren von kompetenzorientierten Aufgaben finden Sie im Themenraum Aufgabenkultur unter Aufgabenkultur | Pädagogische Hochschule Niederösterreich (ph-noe.ac.at).
 

Eine förderliche Rückmeldekultur hängt von Klarheit und Transparenz der Kriterien ab.

Ob formativ oder summativ, in der Handhabung hat jede Leistungsfeststellung eine Feedbackfunktion, vorausgesetzt das Ziel und der Maßstab sind klar und die Schüler*innen haben mehrere Möglichkeiten, ihre Kompetenz auf den Prüfstand zu stellen und dabei festzustellen, ob und inwieweit sie Entwicklungsschritte gemacht haben. Eine Leistungseinschätzung, die Transparenz vermissen lässt, wird schnell als ungerecht und unfair empfunden.  
Die Lernprozesse müssen klar und einsichtig erscheinen, es müssen klare Kriterien für die Erledigung von Aufgaben erarbeitet oder vorgegeben werden. Kriterien sind Maßstäbe zur Einschätzung der Qualität von Schüler*innenleistungen. Sie sind das Maß nach dem wir auch im Alltag beurteilen, auswählen, vergleichen. Kriterien helfen uns somit die subjektive Frage „Was ist gut?“ zu konkretisieren und zu beantworten. Kompetenzorientierte Aufgaben brauchen im Normalfall drei bis vier fachspezifische Kriterien, um die Leistung und deren Qualität messen zu können. Die ausgewählten Kriterien sollen dabei gleichwertig sein und im Einklang mit den Anforderungen der Schulstufe stehen. Erst wenn die Kriterien klar sind, wissen alle am Lernprozess Beteiligten, worauf sich Rückmeldungen und anschließende individuelle Fördermaßnahmen beziehen müssen.
 

Lernförderliche Rückmeldung benötigt eine positive Fehlerkultur.

Fehler „können eine geradezu unersetzliche Erfahrung darstellen: Der Nachvollzug des Falschen ermöglicht das Lernen des Richtigen. Das jedoch bedeutet, dass nur aus Fehlern lernen kann, wer die Chance bekommt, in der Rückschau nachzuvollziehen, worin eigentlich der Fehler besteht und wie es zu ihm kam. In diesem Sinne lernen nur diejenigen, Fehler zu vermeiden, denen erlaubt wird, auch Fehler zu begehen.“ (Althof, 1999)
Fehler sind im Prozess des Lehrens und Lernens normal. Feedback lebt von Fehlern. Schüler*innen erwarten Fehlerkorrekturen. Hier hat der professionelle Feedbackgeber*in (die Lehrperson) eine große Verantwortung. Eine positive Fehlerkultur bedeutet, auftretende Fehler und Misskonzepte in Lernphasen als selbstverständlich zu werten. Das Feedback von Lehrpersonen und Mitschüler*innen muss Fehler benennen bzw. das Misskonzept reflektieren und z.B. über Feed forward die nächsten Schritte zur Fehlerbehebung einleiten (Hattie, 2014). Laut Jakobs (2002, S. 33) sollte der/die Lernende die Erfahrung einer Selbstwirksamkeit machen können: „Das war ein interessanter Fehler, das war ein sehr produktiver Fehler, das war ein Fehler, aus dem ich viel gelernt habe.“ Schüler*innen, die gelernt haben, sich in Lernsituationen produktiv mit ihren Fehlern auseinanderzusetzen, können langfristig höhere Lernleistungen erbringen (Moschner, 2019). Lernförderliche Rückmeldung sollte daher im Sinne eines Stärken-Schwächen-Strategie-Profils angelegt sein und sich nicht ausschließlich an Fehlern ausrichten. Es gilt, das Feedback kriterien- und individuenorientiert zu gestalten (Rakoczy, 2014). 
Eine einfache Möglichkeit, den konstruktiven Umgang mit Fehlern zu sichern, ist die bewusste Unterscheidung zwischen Lernphasen und Leistungsphasen. Je nach Phase, orientiert sich die Lerngemeinschaft an bestimmten Schwerpunkten, die durch Gegensätze in der Praxis erläutert werden können:
 

IN LERNPHASEN

IN LEISTUNGSPHASEN

lernorientiert

leistungsorientiert

prozessorientiert

ergebnisorientiert

formative Leistungsbeurteilung

summative Leistungsbeurteilung (Leistungsfeststellung)

Lernstandserhebung/Informationsfeststellung

Leistungsfeststellung

 

Der Unterschied zwischen Lern- und Leistungsphase ist in der Art und Weise sichtbar, wie mit Fehlern umgegangen wird. Fehler haben unterschiedliche Stellenwerte und Rollen, abhängig davon, in welcher Phase die Lernenden sind. 
Unter dem Motto „Fehler als Helfer“ liefern Fehler während der Lernphasen wichtige Informationen über den Lernprozess der einzelnen Schüler*innen und sind im Sinne der formativen Leistungsbeurteilung (Leistungsbeurteilung für Lernen) eine Möglichkeit, den Lernenden nützliches Feedback zu geben und die Unterrichtsplanung zu adaptieren. Die Schüler*innen werden so gefordert, dass sie Fehler machen, aber auch so gefördert, dass sie aus ihren Fehlern lernen können.
Durchgehend fehlerfreie Leistung während der Lernphase ist kein Zeichen für eine gute Schülerin/ einen guten Schüler, sondern ein Zeichen von mangelnder Herausforderung und Stagnierung.
Fehler werden somit nicht nur „Helfer“, sondern auch „Freunde“, weil sie uns Orientierung und Hinweise für „next practice“ geben. Während des Unterrichts treffen Lehrkräfte permanent und mitten im Geschehen Entscheidungen. Wenn sich während einer Lernphase durch bestimmte Fehler oder Fragen plötzlich zeigt, dass manche Lernende etwas doch noch nicht verstanden haben oder es eine „Wissenslücke“ gibt, nehmen Lehrerinnen und Lehrer Handlungsbedarf wahr. Während der Lernphase ist es nicht Aufgabe der Lehrperson, den Fehler oder die Lücke zu beurteilen, das wird nach dem Lernprozess in Leistungsphasen gemacht. 
Es ist zielführend, auf die Lernenden einzugehen und im Moment, in dem der Fehler passiert, eine entsprechende Methodik oder Strategie auszuwählen, um den Unterricht in dieser Situation sinnvoll zu gestalten. Wenn wir nicht sicher sind, was wir tun sollen, hilft es, mit den Lernenden darüber zu sprechen und sie zu fragen – oft wissen sie selber am besten, was sie brauchen. Beispiele unserer next practice könnten je nach Lerninhalten, Lernenden und Klassengemeinschaft folgende sein: differenzierte Aufgaben nach aktuellem Lernbedarf zu verteilen, Kleingruppen zu bestimmten Lerninseln zu senden, Schüler*innenexpertinnen/-experten einzusetzen, Think-Pair-Share in heterogenen Paaren zu machen, in einer Mini-Lesson einen neuen Zugang zum Inhalt zu schaffen (z.B. eine Geschichte oder eine grafische Darstellung), … .
In einer Leistungsphase spielen Fehler als Indikatoren des Lernertrags eine andere Rolle. Es geht um das Lernprodukt. Schüler*innen demonstrieren anhand einer Leistungsaufgabe, die wir schon zu Beginn der Lerneinheit erstellt haben, was sie gelernt haben und beweisen, was sie erreicht haben. Die Leistungs- und Prüfungsaufgaben sind kohärent mit den Lerninhalten und den Lernprozessen, und der Grundmaßstab ist für alle Schüler*innen gleich. Auch in der Leistungsphase werden Fehler nicht durch defizitorientierte Brillen betrachtet. Ausgehend von der Annahme, dass ein erfolgreicher Unterricht der ist, der es allen Lernenden ermöglicht, die Lernziele zu erreichen, soll es keine Defizite, sondern nur Unterschiede in der Leistungsqualität geben.
 

Lernförderliche Rückmeldung braucht Evidenzen.

Lernförderliche Rückmeldung basiert auf regelmäßigen und systematischen Beobachtungen des Lernstands der Schüler*innen im Bezug zum Zielbild und den Erfolgskriterien um  lernförderliche, möglichst spezifische und dialogorientierte individuelle Rückmeldungen zu geben. Auf Basis dieser Informationen oder „Evidenzen“ ist die Lehrperson in der Lage, die Lücke zwischen Lehren und Lernen, zwischen Lernstand und Ziel zu erschließen, um dann nächste Schritte zu bestimmen und diese Lücke zu schließen (Hattie & Zierer, 2019). 
Pädagogische Diagnostik oder Wahrnehmungskompetenz bzw. die daraus resultierenden Evidenzen dienen der Vorbereitung pädagogischer Entscheidungen bezüglich der Gestaltung von Lehr-Lernprozessen bzw. des Umgangs mit einzelnen Lernenden (Digel & Schrader, 2013). 
Für die Lehrperson wird eine pädagogische Diagnose Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung haben, die Ergebnisse können auch Rückmeldungen über die eigene Arbeit sein. Damit ist die pädagogische Diagnose eine wichtige Voraussetzung, um den eigenen Unterricht systematisch planen zu können (Horstkemper, 2006). Pädagogische Diagnosen sind dann besonders wirkungsvoll, wenn sie in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen und den Schüler*innen stattfinden. Durch diagnostische Rückmeldungen der Lehrperson werden die Schüler*innen mehr und mehr in die Lage versetzt, ihr eigenes Lernen zu reflektieren und damit selbst Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen (Spinath, 2006).
Lernförderliche Rückmeldung fordert eine Diagnostik, die nicht ausschließlich Ergebnisse betrachtet, sondern Lernprozesse begleitet. Formatives Assessment umfasst u.a. lernprozessbegleitende Diagnostik und individuelle Lernstandsanalysen. Insbesondere drei diagnostische Instrumente liefern Daten für Ansätze effektiven Feedbacks: direkte Unterrichtsbeobachtung, diagnostisches Gespräch/diagnostischer Dialog und Schüler*innenergebnisse (Ebert & Rix, 2018). Ohne Rückmeldung bleiben die Evidenzen von Diagnostik und Evaluation für Betroffene im Ungefähren. Mit dieser Orientierung gewinnt die lernförderliche Rückmeldekultur eine besondere Bedeutung - sie ist der Ausgangspunkt jeder Förderung im schulischen Kontext.
 

Lernförderliche Rückmeldung begünstigt Partizipation und Selbststeuerung.

Lehrende und Lernende, die systematische Feedbackarbeit so nutzen, dass aus der Reflexion des Lernprozesses Konsequenzen für das weitere Lernen gezogen werden, bemerken sehr bald, dass dies bei den Lernenden ein verändertes Selbstverständnis von Lernen und Unterricht bewirkt. Die Lernenden erfahren, dass ihre Rückmeldung gefragt ist, dass sie Einfluss nehmen können und dass sie so Verantwortung für die eigenständige Gestaltung ihres Lernens übernehmen können. Diese Identifikation mit dem eigenen Lernen nehmen die Lehrenden in der Regel als Zunahme der Fähigkeit zur Selbstmotivation wahr (Bastian, 2010). D.h. Feedback führt in seiner inneren Logik zu Partizipation und Selbststeuerung. So kann lernbezogene Feedbackarbeit zu einer Quelle und Kern von Unterrichts- und Schulentwicklung werden. Denn wer Schüler*innenfeedback erfährt und wertschätzt, kann gemeinsam mit den Lernenden in Feedbackgesprächen darüber nachdenken, was angemessene Konsequenzen von Unterricht und Schule sein könnten. Eine ähnliche Funktion kann schulinterne Evaluation übernehmen, wobei Feedback als Teil von interner Evaluation zu verstehen ist (Bastian, 2013). 
 

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